
Einleitung: Ein Klassiker mit System
In einem Land der Mieter bietet der Bausparvertrag einen einzigartigen, traditionellen Pfad zur eigenen Immobilie. Er ist keine Zauberformel, sondern ein diszipliniertes Spar- und Finanzierungsinstrument mit strengen Regeln. Dieses Modell, das Sparen und Kredit in einem Vertrag vereint, ist tief in der deutschen Finanzkultur verankert. Dieser Artikel entschlüsselt das System, erklärt die zwei Phasen des Bausparens und hilft Ihnen, nüchtern zu beurteilen, ob dieser Weg zu Ihrer persönlichen und finanziellen Lebensplanung passt.
Teil 1: Das Grundprinzip – Ein Vertrag, zwei Phasen
Ein Bausparvertrag ist ein zweiseitiges Versprechen: Sie verpflichten sich, eine bestimmte Summe anzusparen, und die Bausparkasse garantiert Ihnen im Gegenzug, später ein günstiges Darlehen in vereinbarter Höhe zu gewähren.
- Phase 1: Die Sparphase
Sie zahlen über Jahre einen festen monatlichen Betrag auf Ihren Vertrag ein. Dieses Geld wird sicher, aber mit sehr niedriger Verzinsung angelegt. Das Ziel ist es, eine vertraglich festgelegte Mindestsparsumme (meist 40-50% der Bausparsumme) zu erreichen. - Phase 2: Die Darlehensphase
Nach Erreichen der Mindestsparsumme und je nach Länge der Sparzeit wird Ihr Vertrag zuteilungsreif. Nun können Sie das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen – die restlichen 50-60% der Bausparsumme. Der große Vorteil: Der Darlehenszins für diesen Kredit wurde bereits bei Vertragsabschluss festgelegt und ist für die gesamte Darlehenslaufzeit unveränderlich, unabhängig vom dann herrschenden Marktniveau.
Teil 2: Der Schlüssel zur Zuteilung – Die Bewertungszahl
Wann Ihr Vertrag zuteilungsreif wird, bestimmt nicht allein die Höhe Ihrer Ersparnisse, sondern eine komplexe Kennzahl: die Bewertungszahl (BZ).
- Sie setzt sich zusammen aus: den eingezahlten Sparbeiträgen und der Dauer, über die Sie diese eingezahlt haben. Jeder eingezahlte Euro erhöht die BZ, aber Geduld wird belohnt: Je länger Sie sparen, desto höher steigt die BZ pro eingezahltem Euro.
- Das System: Die Bausparkasse finanziert die Darlehen aus dem Gesamtspartopf aller Kunden. Wenn genügend Geld im Topf ist (durch Kündigungen, Rückzahlungen), werden die Verträge mit den höchsten Bewertungszahlen zur Auszahlung freigegeben. Es ist also ein System, das langfristige, treue Sparer priorisiert.
Teil 3: Die Vor- und Nachteile – Eine nüchterne Betrachtung
- Die Vorteile: Sicherheit und Disziplin
- Zinssicherheit: Sie sichern sich heute einen günstigen, garantierten Darlehenszins für die Zukunft – eine wertvolle Absicherung gegen steigende Marktzinsen.
- Sparzwang und Planbarkeit: Der regelmäßige Sparbeitrag fördert die Disziplin und ermöglicht eine langfristige finanzielle Planung.
- Staatliche Förderung: Durch die Wohnungsbauprämie und das Arbeitnehmersparzulage kann der Staat Ihre Sparleistung mit bis zu mehreren hundert Euro pro Jahr bezuschussen (siehe Artikel 2).
- Die Nachteile: Liquidität und Rendite
- Gebundene Liquidität: Das angesparte Geld ist während der Sparphase nur schwer und meist mit Abschlägen verfügbar. Ein Bausparvertrag ist kein Tagesgeldkonto.
- Sehr niedrige Sparverzinsung: Die Verzinsung der Guthaben in der Sparphase liegt fast immer deutlich unter der Inflation. Ihr Geld verliert hier real an Kaufkraft.
- Komplexität und Kosten: Es fallen Abschluss- und Kontoführungsgebühren an. Die starren Regeln machen das Produkt unflexibel.
Teil 4: Für wen ist Bausparen (noch) sinnvoll?
Der Bausparvertrag ist kein Produkt für jedermann. Er kann eine Überlegung wert sein für:
- Junge Menschen mit langem Zeithorizont, die früh mit kleinen Beträgen für eine spätere Finanzierung vorsorgen und die staatliche Förderung mitnehmen wollen.
- Konservative Sparer, für die die Zinssicherheit für das zukünftige Darlehen das wichtigste Kriterium ist.
- Als ergänzender Baustein in einer Gesamtfinanzierung, z.B. zur Ablösung eines teuren Anschlussdarlehens nach 10 Jahren.
Er ist wenig sinnvoll für Menschen, die kurzfristig an ihr Geld müssen, eine hohe Rendite auf ihre Ersparnisse erzielen oder in weniger als 8-10 Jahren bauen/kaufen wollen.
Fazit: Ein Werkzeug mit klarem Profil
Der Bausparvertrag ist kein selbstläufiges Produkt, das automatisch Wohlstand schafft. Er ist ein Werkzeug für einen sehr spezifischen Zweck: die langfristige, disziplinierte Vorbereitung auf eine Immobilienfinanzierung bei gleichzeitiger Absicherung gegen Zinsrisiken. Seinen wahren Wert entfaltet er nur in Kombination mit staatlicher Förderung und als Teil einer durchdachten, langfristigen Finanzstrategie. Bevor Sie unterschreiben, müssen Sie Ihre persönliche Risikobereitschaft, Ihren Zeithorizont und Ihre Liquiditätsbedürfnisse genau kennen.